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Die Eigner der Stromkonzerne sind in der Pflicht

Bundesbern muss im Energiebereich das Marktmodell und die gesetzlichen Rahmenbedingungen erneuern. Und die Besitzer der Stromkonzerne sollten sich ihrer Verantwortung für die Versorgungssicherheit klarwerden.

Von Martin Saxer

Die Schweizer Stromwirtschaft gehört zu 90 Prozent der öffentlichen Hand, überwiegend den Kantonen und Gemeinden. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass sich ihre Exponenten der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Wirtschaft für eine sichere Stromversorgung genügend bewusst und bereit sind, diese zu tragen.

Es war bezeichnend, dass die Nordostschweizer Kantone als Besitzer der Axpo nicht willens und in der Lage waren, deren befürchtete Liquiditätsrisiken über ihre Kantonalbanken zu decken, so dass der Bund einen «Rettungsschirm» aufspannen musste.

Niemand fühlt sich verantwortlich

In der stark fragmentierten Strombranche kann die Versorgungssicherheit nur durch die am internationalen Stromverbund mitwirkenden Unternehmen (Axpo, Alpiq und BKW) gewährleistet werden. Man dürfte erwarten, dass ihre Besitzer – es sind dies primär die bevölkerungsreichen Mittellandkantone – über eine adäquate Eignerstrategie verfügen. Diese Zielsetzung findet man jedoch höchstens andeutungsweise.

Umso weniger erstaunt, dass ebendiese auch durch die Kernenergiedebatte geschwächten Stände ihre strompolitischen Interessen in Bundesbern nur selten durchzusetzen vermögen, dies im Gegensatz zu den kämpferischen Gebirgskantonen (Wasserzins, Heimfall). Für die schweizerische Versorgungssicherheit fühlt sich offensichtlich niemand verantwortlich. Dass die meist kommunalen Verteilnetzbetreiber, die kaum eigene Produktion haben, gesetzlich für die Grundversorgung zuständig sind, mutet angesichts der künftigen Herausforderungen fast weltfremd an.

Schweizer Produktion haftet für Auslandgeschäft

Der im Vorfeld der Marktliberalisierung im Jahr 2001 am Kanton Zürich gescheiterte Zusammenschluss der Axpo mit den Kantonswerken wurde infolge fehlender Leadership der Besitzer und von den CEO geschickt bewirtschafteter Partikularinteressen nie wieder ernsthaft erwogen.

Diese Lösung hätte der Axpo in der Grundversorgung verlässliche Absatzgarantien und den Konsumenten angemessene Preise ermöglicht. Stattdessen liessen die Eigner den Ausbau des internationalen Handelsgeschäfts sowie Finanzinvestitionen in ausländische Infrastrukturen (v. a. Solar- und Windkraft) sukzessive zu. Diese unternehmerisch erfolgreiche Diversifikation sicherte der Axpo vor ein paar Jahren das Überleben und den Besitzern wieder Dividenden, leistet aber keinen Beitrag zur Schweizer Versorgungssicherheit.

So weitete der Axpo-Handel im letzten Jahrzehnt sein Geschäftsmodell von der klassischen Vermarktung der Eigenproduktion («asset-backed trading») markant um das internationale Kundengeschäft («origination») aus. Letzteres ist im heutigen Umfang nur möglich, weil die werthaltigen Assets der Schweizer Produktion dafür haften.

Diese Entwicklung warf in den Kantonsparlamenten der Axpo-Kantone die berechtigte Frage auf, ob für die spekulativen Teile des Handelsgeschäfts die öffentliche Hand noch die richtige Eigentümerschaft sei.

Ein aktives Bemühen, die strukturelle Winterstromlücke rasch eigenverantwortlich zu füllen, ist weder bei der Stromwirtschaft noch bei ihren Besitzern erkennbar. In der Energiegesetzgebung des Bundes ist einiges geregelt, allerdings ungenügend: Erstens fehlen verbindliche und realistische Vorgaben für eine künftig ausreichende Stromerzeugung (mit Zubau von Grosskraftwerken!); zweitens sind die Verantwortlichkeiten nicht praxistauglich – dies speziell wegen der langen Vorlaufzeiten des Kraftwerkbaus, der damit verbundenen unternehmerischen Risiken sowie der hohen politischen Hürden.

Bundesbern muss das Marktmodell und die gesetzlichen Rahmenbedingungen grundlegend anpassen. Und die Besitzer der Stromkonzerne müssen ihre Rolle für die Versorgungssicherheit wieder ernst nehmen. Der Zürcher Kantonsrat berät demnächst die Axpo-Eignerstrategie. Eine Begrenzung der Kapitalallokation des Auslandgeschäfts wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Noch besteht die Chance, Rolle und Aufgaben der Axpo zu justieren.

Martin Saxer war von 2004 bis 2021 Sekretär des Verwaltungsrates der Axpo Holding AG. Der Beitrag ist zuerst als Tribüne in der NZZ erschienen.

Versorgungssicherheit vs. Rendite: Anstatt die strukturelle Winterstromlücke zu füllen, wird im Ausland in Neue Erneuerbare investiert.